Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
zunächst möchte ich mich bei euch von ganzem Herzen für euer Vertrauen und dieses grandiose Ergebnis bei der Mitgliederbefragung bedanken. Ein solches Ergebnis kann ich nur mit großer Demut annehmen und freut mich so sehr, ist es doch auch Ausdruck dafür, dass ich in der SPD Karlsruhe-Land meine politische Heimat gefunden habe und fest zur sozialdemokratischen Familie gehöre.
Als Kandidat ist es jedoch meine Aufgabe außerhalb dieser Familie zu zeigen, warum man die SPD wählen sollte und welche Positionen die SPD zu vertreten hat.
Vor zwei Wochen ging es bei einer unserer Diskussionsveranstaltungen um den Markenkern der SPD. Ist die SPD die Partei der sozialen Gerechtigkeit und wenn ja, wird sie als eine solche überhaupt noch wahrgenommen? Spielt die soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert überhaupt noch eine Rolle? Und der Schlüsselmoment bei dieser Veranstaltung war die mehr als berechtigte Frage, was denn soziale Gerechtigkeit überhaupt bedeutet? Was verstehen wir unter sozialer Gerechtigkeit?
Grundsätzlich ist es sozial gerecht, wenn es bei der Verteilung von Gütern und Lasten keine systematische Bevorteilung bzw. Benachteiligung einzelner Gruppen gibt, die bestehenden Verteilungsregeln für alle gleich angewandt werden und der Einzelne als legitim angesehene Anrechte geltend machen kann.
Geht es um die Verteilung von Rechte, stimmen wir ohne Zweifel darin überein, dassalle Menschen gleiche Rechte genießen. Doch wie sieht es mit der Verteilung von Gütern aus? Welche Anrechte sind für den Einzelnen legitim? Hier scheiden sich in der politischen Betrachtungsweise die Geister. Während es früher Konsens war, dass ein gewisser Grad an sozialer Gleichheit, gewährleistet durch staatliche Umverteilung, soziale Gerechtigkeit bedeutet, wurde ab Beginn der 80er und verstärkt in den 90er Jahren die Chancengerechtigkeit als Garant sozialer Gerechtigkeit verstanden. Wenn jeder die gleichen Rechte und Chancen hat und Aufstieg durch Bildung gewährleistet wird, dann ermöglicht dies jedem seine eigenen Lebenspläne zu verwirklichen.
Ich halte diese Entwicklung in der politischen Betrachtungsweise für grundlegend falsch und Ausdruck neoliberaler Ideologie, die nicht nur in die SPD tief eingedrungen ist, sondern auch die Köpfe vieler Menschen vergiftete. Denn nichts Anderes bedeutete das alte Credo, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied sei. Und wer eben nicht mitkommt, ist für sein eigenes Versagen selbst schuld.
Wer eine solche Betrachtungsweise hat, der glaubt, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem aus sich heraus gerecht funktioniert. Aber das tut es nicht. Die systemimmanente Ungerechtigkeit des Kapitalismus kann durch bloße Chancengerechtigkeit nicht aufgefangen oder abgemildert werden. Und solange wir keine funktionierenden Alternativen zu diesem Wirtschaftssystem gefunden haben, ist es die Aufgabe eines Sozialstaates durch staatliche Umverteilungsmaßnahmen
dafür zu sorgen, dass die Ungleichheit nicht zunimmt und keine Gruppe exklusiven Zugang zu Gütern und Rechten erhält.
Und es ist auch eine falsche Betrachtungsweise, Menschen mit geringen finanziellen Mitteln als sozial schwach zu bezeichnen.
Eine allein erziehende Mutter, die es schafft noch arbeiten zu gehen um die Miete und Kita-Gebühren zu zahlen und sich gerade so über Wasser hält ist für mich sozial stark.
Ein Krankenpfleger, der jede Woche Überstunden leistet und seinen Feierabend opfert, weil ein Kolleg ausgefallen ist für mich sozial stark.
Eine Rentnerin, der nur eine kleine Rente erhält und daher noch geringfügig arbeitet, sich aber ehrenamtlich im Verein engagiert ist für mich sozial stark.
Ein Manager, der verheerende Fehlentscheidungen trifft und dafür noch Millionen an Boni einkassiert ist für mich jedoch sozial schwach.
Ein Unternehmer, der Milliardengewinne erzielt aber kaum Steuern zahlt, ist für mich sozial schwach.
Ich will, dass die Sozialdemokratische Partei wieder die Partei der Sozial Starken in diesem Land wird!
Gerade die Corona-Krise zeigt wie wichtig ein handlungsfähiger Staat und ein dichtes soziales Netz ist. Der neoliberale, schlanke Staat wie ihn sich die FDP wünscht, ist nicht in der Lage mit so einer Krise umzugehen, gerade die USA sind hierfür ein trauriges Beispiel.
Die schweren globalen Rezessionen haben die wirtschaftlichen Erholungen seit der letzten Krise 2008 nahezu vollständig vernichtet. Während viele Länder mit steigenden Schulden und einbrechenden Steuereinnahmen kämpfen wächst gleichzeitig das Volksvermögen, bedingt auch durch die Erholung der Aktienmärte, wieder auf Rekordhöhen. Reicher wird jedoch nur eine kleine Elite.
Forderungen nach einer Wiederbelebung der Vermögenssteuer, einmaligen Vermögensabgaben, einer progressiven Erbschaftssteuer und eines höheren Spitzensteuersatzes dürfen daher keine Denkverbote sein, sondern müssen ein wesentlicher Kern im nächsten Wahlprogramm unserer SPD sein.
Die Stärkung unseres Gesundheits- und Pflegewesens sowie die Anerkennung jener,die in den letzten Monaten Herausragendes geleistet haben, gelingt uns nicht mit bloßen Sonntagsreden und Applaus von den Balkonen dieser Republik, sondern nur durch die konsequente, längst überfällige Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich sehe noch die Bilder vor mir, wie ein wütender, rechtsradikaler Mob bestückt mit Symbolen zum Glück längst untergegangener Zeiten, die Herzkammer unserer Republik, unserer Demokratie im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen trat. Und es waren diese Bilder, die um die Welt gingen. Niemals zuvor waren die blanke Verachtung und der Hass auf Alles, für das wir stehen, so öffentlich sichtbar.
Der Faschismus hat Gott sei Dank noch lange nicht die Mitte der Gesellschaft erreicht. Aber was die letzten Wochen und Monate gezeigt haben ist, dass es die Saat des Zweifels ist, die zunehmend in unserer Gesellschaft Früchte trägt. Der Zweifel an allen staatlichen Strukturen, der Zweifel an den freien Medien, das offensichtliche Hinterfragen und nicht wissen wollen, was wahr ist. Die Wissenschaft ist immer unterschiedlich interpretierbar und es geht mir auch nicht darum alle Gegnerinnen und Gegner der Corona-Politik als Verschwörer, Verrückte oder Faschisten zu bezeichnen, denn das sind sie in weiten Teilen nicht. Aber die zunehmende Hinwendung dieser Menschen in ihre alternative Faktenwelt hat gefährliche Ausmaße angenommen. Wir erleben es selbst in unserem Freundes- und Verwandtenkreis.
Der Hinweis darauf, dass eine breite Mehrheit weiterhin hinter den Verordnungen und Einschränkungen steht wird aber vielleicht nicht mehr ausreichen, wenn diese schweigende Mehrheit nicht endlich bereit ist auch sichtbar zu werden. Mehr denn je gilt es politisches Engagement zu zeigen.
Mir ist durchaus bewusst, dass ich als Kandidat der SPD derzeit nicht die gesellschaftliche Mehrheit hinter mir stehen habe. Viel mehr kämpfen wir gerade damit, überhaupt als mittelgroße Partei wahrgenommen zu werden. Zu sehr haben wir es vernachlässigt die Deutungshoheit wieder darin zu erlangen, was in unserem Land als fortschrittlich und nachhaltig gilt.
Ich bewundere sehr, wie es junge Menschen geschafft dem Klimathema einen solchen Stellenwert zu geben. Jedoch macht es mich nachdenklich, wenn die sozialen Probleme außer Acht bleiben. Denn es reicht leider nicht aus Tempo 30 in der Innenstadt und die sofortige Abschaltung der Kohlekraftwerke zu fordern um diese Gesellschaft zusammenzuhalten. Viel mehr würde ich mir eine breite soziale Bewegung wünschen.
Ich will im Wahlkampf zeigen, dass die Sozialdemokratie die Kraft und den Gestaltungswillen hat, um die richtigen Antworten auf die aktuellen Fragen dieser Zeit zu geben. Ich will mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutieren, was sie von der Politik erwarten und wie wir gemeinsam die Krise, ob wirtschaftlich, ökologisch oder gesellschaftlich, überwinden können.
Liebe Genossinnen und Genossen,
im nächsten Jahr steht uns eine politische Zäsur bevor. Nach 16 Jahren im Amt wird Angela Merkel nicht noch einmal antreten und wer die Union in den Wahlkampf führen wird, ist noch ungewiss. Die Karten werden also völlig neu gemischt. Wir jedoch werden mit einem erfahrenen und beliebten Vizekanzler antreten. Mit Olaf Scholz spielen wir nicht auf Platz, sondern auf Sieg!
Mit eurem Vertrauen will ich Olaf Scholz auf diesem Weg als Kandidat unterstützen. Ich bitte daher um eure Stimme!
Vielen Dank!